Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Hessen e. V.

Von links: Landesgeschäftsführer Sofrony Riedmann, stellvertretende Landesvorsitzende Helga Hofmann, Landesvorsitzender Ansgar Hegerfeld © Torsten Willner

Bau der Radschnellwege in Hessen braucht einen Neustart nach der Landtagswahl!

Der Radfahrverband fordert die Baulast des Landes, ein Sonderbauprogramm und eine:n Sonderbeauftragte:n zur Beschleunigung des Radschnellwegebaus

Trotz eines großen Bedarfs kommt der Bau von Radschnellwegen in Hessen nur schleppend voran. So sind von den benötigten 130 Kilometern der höchsten Prioritätsstufe bislang erst acht Kilometer Radschnellweg fertiggestellt worden. Dies geht unter anderem aus dem Sachstandsbericht Radschnellwege in Hessen hervor, den der ADFC Hessen in Hattersheim öffentlich vorgestellt hat. Damit diese wichtige Rad-Infrastruktur deutlich schneller entsteht und Hessen bis zum Jahr 2030 Fahrradland werden kann, fordert ADFC Hessen einen Neustart des Radschnellwegebaus, für den nach der Landtagswahl endlich die geeigneten Strukturen geschaffen und die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitgestellt werden müssen.

Befragungen wie der Fahrrad-Monitor 2021 der Landesregierung zeigen, dass viele Berufspendelnde vom Auto auf das Rad umsteigen würden, wenn es schnelle Verbindungen gäbe. Damit würden sowohl das Klima geschont als auch die Städte vom motorisierten Individualverkehr entlastet. "Das verdeutlicht, dass für den zügigen Bau von Radschnellwegen ein sehr hohes allgemeines Interesse besteht - und es sich keineswegs nur um ein Partikularinteresse einer begrenzten Zahl von Arbeitnehmenden handelt, die aktuell das Rad zum beruflichen Pendeln nutzen", erläutert Helga Hofmann, stellvertretende Landesvorsitzende des ADFC Hessen.

Wird das Radschnellwegenetz in Hessen erst 2100 fertig?

Obwohl Radschnellwege in Ballungsräumen der zentrale Hebelpunkt der Verkehrswende sind, kommt der Bau kaum voran. Dies zeigt auch der heute vom ADFC Hessen vorgelegte Sachstandsbericht Radschnellwege in Hessen eindeutig auf. Seit dem Spatenstich des Radschnellwegs Frankfurt-Darmstadt im Herbst 2018 sind im gesamten Bundesland Hessen 8,3 Kilometer Radschnellwege gebaut worden - das sind 1,66 Kilometer pro Jahr oder 4,5 Meter pro Tag. Geht es in diesem Tempo weiter, sind die noch zu bauenden 122 Kilometer der höchsten Prioritätsstufe erst im Jahr 2100 fertig.

Die Gründe für diese Langsamkeit sind vielfältig: Weil die Kommunen die Baulast tragen, sind meist eine Vielzahl von Akteuren beteiligt, die das Projekt in ihrem Bereich engagiert vorantreiben müssen. Hohem Abstimmungsbedarf stehen knappe Ressourcen gegenüber. Auch der Fachkräftemangel bei Planung und Bau spielt eine Rolle. Dazu kommen langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse, wodurch sich Projekte über viele Jahre verzögern.

Schließlich stellt die Finanzierung einige Kommunen aufgrund der zu erbringenden Eigenanteile in Höhe von in der Regel 20 Prozent vor Probleme: "Für Radschnellwege müssen zum Teil Brücken oder Unterführungen gebaut werden, was sie teurer macht als herkömmliche Radwege. Diese Kosten konkurrieren dann mit anderen kommunalen Aufgaben, wie etwa dem Schulbau. Die aufwendig zu beantragenden Fördermittel des Bundes und Landes stehen aktuell auch nur deshalb ausreichend zur Verfügung, weil der Bau von Radschnellwegprojekten landesweit noch lahmt", so Helga Hofmann.

In den Regionen um Frankfurt und Kassel üben der Regionalverband FrankfurtRheinMain respektive der Zweckverband Region Kassel eine wertvolle Funktion aus, weil sie die Planung der Radschnellwege federführend übernommen haben und diese vorantreiben. Aufgrund des großen Koordinierungsaufwands durch die kommunale Baulastträgerschaft und der begrenzten personellen Ausstattung der Verbände, ist dies längst nicht gleichbedeutend mit einer zügigen Projektumsetzung. "Wo solche Verbände nicht existieren, geht es noch langsamer oder gar nicht voran", so Hofmann.

Neustart für die hessischen Radschnellwege mit neuen Strukturen

Die Schaffung eines Radschnellwegenetzes in den dicht besiedelten Regionen Hessens ist ein großes Infrastrukturprojekt. "Für die zügige Realisierung der Radschnellwege in Hessen müssen wir das geeignete Instrumentarium und bessere Strukturen schaffen. Mit einem Wort, brauchen wir hier dringend einen Neustart", fordert Ansgar Hegerfeld, Landesvorsitzender des ADFC Hessen.

Dieser Neustart erfordert, dass das Land die Baulast für Radschnellwege trägt, wie dies auch das Verkehrswendegesetz des Volksbegehrens "Verkehrswende Hessen" vorgesehen hat: "Das Land sollte durch Hessen Mobil die Radschnellwege selbst planen und bauen. Hierdurch schaffen wir die Grundlage für eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Radschnellwege. Besonders für kleinere Kommunen wäre das eine massive Entlastung", erklärt Ansgar Hegerfeld.

Nach Vorstellungen des ADFC Hessen muss das Land in einem Sonderbauprogramm Radschnellwege die Realisierung aller Strecken der Kategorie I der Korridorstudie (insgesamt 130 Kilometer) bis zum Jahr 2030 und mindestens weitere 120 Kilometer der Kategorie II bis 2033 - also während der kommenden zwei Legislaturperioden - finanziell und personell absichern und überprüfbare Zwischenschritte festlegen, die eine Kontrolle und Nachsteuerung ermöglichen.

Um die Planung der Rad-Infrastruktur in Landesbaulast zu beschleunigen, soll gesetzlich festgelegt werden, dass der Ausbau von Radwegen angesichts der Klimakrise im überragenden öffentlichen Interesse liegt und im Rahmen von Abwägungsentscheidungen entsprechend zu priorisieren ist, wie dies auf Bundesebene bereits für die Erneuerbaren Energien gilt.

Von Beginn an muss die Umsetzung des Sonderbauprogramms Radschnellwege durch eine:n Sonderbeauftragte:n für Radschnellwege im Verkehrsministerium verfolgt werden. "Diese Stelle koordiniert die Umsetzung des Sonderbauprogramms zwischen Hessen Mobil, betroffenen Kommunen und Ministerium, untersteht direkt der Ministeriumsleitung und berichtet dieser mindestens monatlich über den Fortschritt. So ist sichergestellt, dass der oder die Minister:in jederzeit über Hemmnisse bei der Umsetzung des Sonderbauprogramms informiert ist und bei Problemen sofort aktiv werden kann", konkretisiert Hegerfeld die ADFC-Forderung.

In der Schaffung solcher Strukturen sieht der ADFC Hessen eine notwendige Bedingung für die angestrebte Beschleunigung des Radwegebaus in den kommenden zehn Jahren, sie sei aber alleine noch nicht hinreichend: Wenn schneller geplant und gebaut wird, muss für die Projekte auch entsprechend mehr Geld bereitstehen. Nur so könne Hessen bis 2030 Fahrradland werden.

Jährlich sind 25 Millionen Euro für den Radschnellwegebau in Hessen nötig

Ausgehend von Bau- und Planungskosten von mindestens einer Million Euro je Kilometer sind in den kommenden zehn Jahren 250 Millionen Euro nötig, um die erforderlichen 250 Kilometer Radschnellwege in Hessen zu bauen - im Durchschnitt also 25 Millionen Euro jährlich. Auch unter Einbeziehung der Radschnellweg-Förderung des Bundes, ist nach Berechnungen des ADFC Hessen von einem jährlichen Investitionsbedarf von durchschnittlich mindestens 20 Millionen Euro durch das Land auszugehen. "Diese Zahlen zeigen, dass viel mehr Geld in die Rad-Infrastruktur investiert werden muss, belegen gleichzeitig aber auch, wie kostengünstig ein Radschnellwegnetz im Vergleich zu anderen hessischen Infrastrukturprojekten, wie dem Frankfurter Fernbahntunnel (geschätzte Kosten 3,6 Milliarden Euro) oder dem Riederwaldtunnel (geschätzte Kosten 0,6 bis eine Milliarde Euro) zu realisieren ist" ergänzt Helga Hofmann.

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